Privates Veräußerungsgeschäft – (teilweise) Vermietung innerhalb 10-Jahresfrist schädlich

BFH, Urteil v. 19.07.2022 – Az. IX R 20/21

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310007/

Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn insoweit nicht von der Besteuerung ausgenommen, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt. Eine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte besteht nicht. Aufteilungsmaßstab für die Ermittlung des steuerbaren Anteils am Veräußerungsgewinn ist das Verhältnis der Wohnflächen zueinander.

Der Fall:

Die Kläger erwarben im Jahre 2011 eine Immobilie, die sie mit ihren Kindern bewohnten. Sie vermieteten in den Jahren 2012 bis 2017 an einzelnen Tagen zwei Zimmer im Dachgeschoss und erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Räume wurden den Mietern zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt. Die Zimmer wurden in der übrigen Zeit von den Klägern als Kinderzimmer genutzt.

Die Kläger verkauften im Jahr 2017, also innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist die Immobilie. Das Finanzamt ging wegen der zeitweisen Vermietung von einem privaten Veräußerungsgeschäft aus. Die dagegen erhobene Klage hatte zunächst Erfolg. Hiergegen richtete sich das Finanzamt mit der Revision.

Entscheidung:

Die Revision war begründet und führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils.

Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liegt laut BFH nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Die vorübergehende Vermietung einzelner Zimmer einer Wohnung schließt die „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ aus, soweit der Mieter die vermieteten Räume unter Ausschluss des Vermieters nutzen darf. Eine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze sieht der BFH nicht.  

Hat der Steuerpflichtige – wie im vorliegend Fall – einzelne Zimmer seiner Wohnung (vorübergehend) Fremden zur ausschließlichen Nutzung überlassen, die Wohnung aber im Übrigen durchgängig zu eigenen Wohnzwecken genutzt, ist die Ausnahme von der Versteuerung des Veräußerungsgewinns teilweise zu versagen. Maßstab für die Ermittlung des anteilig steuerbaren Veräußerungsgewinns ist das Verhältnis der fremd- und selbstgenutzten Wohnflächen zueinander. Vorliegend unterlag demnach der auf das Dachgeschoss entfallene Veräußerungsgewinn der Besteuerung.

Praxishinweis:

Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt. Von der Ausnahme der Besteuerung können daher erfasst sein:

Zweitwohnungen,

nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen,

Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden.

Der BFH hat die erstinstanzliche Entscheidung des Finanzgerichts Niedersachsen aufgehoben und ist streng: Weder eine räumliche noch eine zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte wird akzeptiert. Das bedeutet, es besteht bereits bei einer Vermietung an fremde Dritte ab dem ersten Tag die Gefahr, dass hinsichtlich dieser fremdvermieteten Wohnfläche die Ausnahme von der Besteuerung anteilig entfällt, wenn die Immobilie innerhalb der Spekulationsfrist veräußert wird. Daraus resultieren erhebliche Risiken für private Immobilieninvestoren, die lediglich einen Teil ihrer Immobilie selbst nutzen.

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Dr. Kolja van Lück

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

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