Keine Schenkungsteuer bei Verschaffung einer Gesamtgläubigerstellung bezüglich eines Nießbrauchsrechts an Ehegatten

BFH, Urteil v. 08.06.2021 – II R 23/19

Volltext : https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202150180/

Der Fall

Der Ehemann der Klägerin übertrug ein Grundstück zu je 1/2 auf die beiden gemeinsamen Kinder. Der Ehemann behielt sich in dem Übertragungsvertrag zu seinen und den Gunsten der Klägerin – als Gesamtgläubiger gem. § 428 BGB – ein lebenslanges Nießbrauchrecht vor. Die Nießbraucher hatten Zins- und Tilgungsleistungen betreffend das Immobiliendarlehen zu tragen. Persönlicher Schuldner der Darlehensverbindlichkeit blieb der Ehemann. Die Immobilie war vermietet. Der Zahlungsverkehr für das Grundstück lief über ein auf den Namen des Ehemanns lautendes Bankkonto, für das die Klägerin eine Bankvollmacht hatte. Dazu gehörte die Bedienung der öffentlichen Lasten, der Darlehensverbindlichkeiten und die Zahlung der Erhaltungsaufwendungen. Von dem Mietkonto erfolgten außerdem monatlich Zahlungen in Investmentfonds und für andere Zwecke (Arztrechnung) des Ehemanns und zudem Zahlungen für und an den gemeinsamen Sohn zur Finanzierung dessen Auslandaufenthalts.

Das Finanzamt sah in der Einräumung des Nießbrauchsrechts eine Schenkung des Ehemanns an die Klägerin.

BFH verneint schenkungsteuerliche Zuwendung des Ehemanns

Nach der Entscheidung des BFH stellt der Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs an dem Grundstück durch den Ehemann zu seinen und den Gunsten der Klägerin keine schenkungsteuerbare Zuwendung dar. Um eine solche anzunehmen bedarf es auch bei der Verschaffung einer Gesamtgläubigerstellung der Voraussetzung, dass der Bedachte – hier die Ehefrau – über den Gegenstand der Zuwendung tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies hat der BFH im Streitfall angesichts der tatsächlichen Handhabung des Mietkontos verneint.

Praxishinweis

Eine freie Verfügungsbefugnis über das Nießbrauchsrecht ist nicht gegeben, soweit im Innenverhältnis der Gesamtgläubiger der Bedachte nicht oder zu einem geringeren Anteil berechtigt ist, als dies § 430 BGB entspräche.

Eine schenkungsteuerschädliche freie Verfügungsbefugnis lässt sich im Rahmen der Gestaltung vermeiden durch schriftlich fixierte Vereinbarungen, die hinter § 430 BGB zurückbleiben. Die Gesamtgläubigerstellung im Außenverhältnis ist dann irrelevant. Existieren keine dokumentierten Regelungen im Innenverhältnis kann der tatsächlichen Verwaltung und Verfügung der Erträge Indizwirkung zukommen.

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Dr. Rüdiger Gluth                                        

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