BFH-Urteil v. 06.12.2023, XI R 5/20

Vorsteuerberichtigung bei der Organgesellschaft aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung durch Organträger, Ausgleichansprüche im Organkreis aufgrund einer „in anderer Weise“ begründeten Massenverbindlichkeit

Sachverhalt

Kläger und Revisionsbeklagte ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der S GmbH. Die S GmbH war seit 2010 Organgesellschaft der T GmbH, welche während des Bestehens der Organschaft die USt für den Organkreis anmeldete, den VSt-Abzug vornahm und Vorsteuerüberhänge vereinnahmte. Aufgrund Liquiditätsschwierigkeiten der S finanzierte die T seit Juli 2010 Material-, Personal- und sonstige Kosten der S.

2011 wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S eröffnet im selben Jahr auch über das Vermögen der T. Die Insolvenzmasse der S wird wegen der USt unter neuer Steuernummer geführt. An Sie ergehen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2013 u. 2014.
Der Insolvenzberater der T ficht im Insolvenzverfahren alle Zahlungen der T an Lieferanten der S erfolgreich an, da die S zum Zeitpunkt der Zahlung bereits Insolvenzreif gewesen wäre.

Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung setzt das FA die Umsatzsteuer der S, mit Änderungsbescheiden wegen USt 2013 und 2014, höher fest, da durch Anfechtung der Zahlungen an die Lieferanten der Vorsteuerabzug der S gemindert worden sei.
Die Klage vor dem FG hat Erfolg. Das FA legt Revision ein.

Urteil

Revision ist begründet. Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 UstG sind gegeben. Wenn sich die Bemessungsgrundlage für einen Steuerpflichtigen Umsatz iSd § 1 Abs. 1 Nr. 1 UstG ändert, haben der Leistende und der Empfänger des Umsatzes den Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 UstG zu berichtigen.

Diese Regelung ist sinngemäß Anzuwenden, wenn ein Umsatz uneinbringlich ist. Aufgrund des Insolvenzverfahrens der S sind die, durch die Rückzahlung der Beträge der Gläubiger der S an die T GmbH aufgrund erfolgreicher Insolvenzanfechtung, wieder aufgelebten Zahlungsansprüche der Gläubiger ggü. S uneinbringlich.

Dass S und T ursprünglich eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft waren, ändert nichts an der zivilrechtlichen Selbständigkeit der S und daran, dass sich die wieder aufgelebten Ansprüche Dritter zivilrechtlich gegen S und nicht gegen T richten.

Richtigerweise ist das FG davon ausgegangen, dass die Insolvenzanfechtung des Insolvenzverwalters der T, die eine Vorsteuerberichtigung bei der S zur Folge hatte, nicht dazu führt, dass der daraus entstehende Steueranspruch iSd § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründet worden wäre.

Jedoch wurde nicht geprüft ob der Steueranspruch des FA gegen die Klägerin eine Masseverbindlichkeit ist.

Masseverbindlichkeiten können nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch in anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Hierzu gehören auch Abgabenforderungen, solange Sie einen Bezug zu Insolvenzmasse aufweisen und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden.

Die Insolvenzmasse umfasst gem. § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners im Sinne der Aktiva. Aus den wieder aufgekommen Verbindlichkeiten der S ggü. den Gläubigern ergibt sich somit kein Steueranspruch.

Das FG hat weiter zu prüfen ob durch die Anfechtung der Zahlungen des Insolvenzverwalters der T ein möglicher Ausgleichsanspruch der S gegen die Masse der T aus § 426 BGB analog entstanden ist.

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